Stimmberechtigt: Interview mit der Sprechtrainerin Beatrix Schwarzbach
Bea, du bietest als Rhetoriktrainerin und Sprecherzieherin Coaching und Training für professionelle Sprecherinnen, Frauen aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen und alle, die an ihrer Stimme arbeiten wollen, an.
Aus Studien weiß man, dass Frauen in gemischten Gruppen einen weit kleineren Anteil der Redezeit einnehmen als männliche Redner. So zieht es sich durch politische Debatten, Konferenzen und nicht zuletzt durch Filme, wie der Bechdel-Test immer wieder zeigt. Frauen in der Arbeitswelt rät man nicht nur modisch, sich einem konservativen Männlichkeitsbild anzunähern. Neben straffen Zöpfen, ausgeprägten Schultern empfehlen einschlägige Ratgeber ein bestimmtes, autoritäres Auftreten. Durchsetzungsstärke ist gewünscht. Sprechweise und Stimmqualität stehen damit in engem Zusammenhang.
Mit welchen Wünschen treten Frauen an dich heran?
Die Anliegen und Ausgangssituationen meiner Kund*innen sind so unterschiedlich wie diese selbst. Die eine möchte in Meetingsituationen verständlicher sprechen und mit ihren Vorschlägen endlich durchkommen. Bei der nächsten steht eine herausfordernde Präsentation an, die sie souverän und mit möglichst wenig Lampenfieber bewältigen will. Viele wollen auch an ihrer Stimmkraft und an der körperlichen Präsenz arbeiten.
Wieder andere kommen zu mir, weil sie den Eindruck haben, dass ihnen immer die gleichen gendertypischen Kommunikationsmuster auf die Füße fallen und sie es nicht schaffen, ihre Leistungen und Ideen auch wirklich überzeugend zu verkaufen. Dauerbrenner im Rhetoriktraining sind auch die Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche und argumentative Unterstützung bei bevorstehenden Gehaltsverhandlungen.
Machen wir mal ein Beispiel aus dem Alltag! Angenommen, ich bin in einer Besprechung, und ich werde ständig unterbrochen und kann nicht ausreden. Um gehört zu werden, müsste ich meinerseits unterbrechen oder laut werden. Das will ich aber nicht, oder das ist einfach nicht meine Art. Was würdest du mir raten?
Die innere Grundvoraussetzung ist, dass du wirklich durchkommen und gehört werden willst. Manchmal lassen wir uns zu schnell „abschrecken“ oder geben klein bei. Deswegen bestehe auf deinem Rederecht, z. B. mit einem „Einen Moment noch. Lassen Sie mich ausreden.“ Dann mach so klar wie möglich weiter. Dazu brauchst du natürlich einiges an Energie und Überzeugung. Doch Unterbrechungen gehen nun mal gar nicht.
Das Tolle daran ist: jede Person, die dir ins Wort grätschen will, braucht dazu ein zwei Mal höheres Energielevel, als du es gerade hast. Deswegen kündigen sich die meisten Unterbrechungen auch an, z. B. durch Füßescharren, hörbares Einatmen oder das berühmte Vorrücken am Stuhl. Die wenigsten Interventionen kommen total aus dem Blauen – die Leute bauen erstmal Energie auf. Auch, indem sie sie von dir abziehen, z. B. weil dich ein Stirnrunzeln und das Luftschnappen gegenüber irritiert.
Das heißt für dich: nimm achtsam wahr, was um dich herum passiert. Serviere deine Aussagen mit dem nötigen körperlichen und stimmlichen Standing: richte dich auf dem Stuhl auf, artikuliere deutlich und baue Blickkontakt auf.
Mach klar, wann du zu Ende geredet hast: z. B. indem du die Stimme am Ende eines Sprechabschnitts deutlich absenkst und deine Gestik zu dir zurückführst. Dadurch entscheidest du selbst, wann du das Rederecht abgibst. Je klarer und verlässlicher deine sprecherischen und körpersprachlichen Zeichen sind, desto mehr senkst du dein Unterbrechungsrisiko.
Ein weiterer Tipp ist das Banden-Bilden: schließ dich mit einer Kollegin zusammen und unterstützt euch gegenseitig. Sie passt auf, dass du nicht unterbrochen wirst und spricht es klar an, wenn es doch passiert. Und du machst das gleiche für sie: „Sie war noch nicht fertig. Ich möchte ihren Vorschlag zu Ende anhören.“ Ihr steht füreinander ein und passt auf, dass eine kooperative Gesprächs-Kultur gewahrt bleibt.
Was fange ich mit chronischen Mansplainern an? Ich kenne mich mit einem Sachverhalt gut aus, aber ein Mann erklärt mir diesen lang und breit, macht mich damit klein und kommt einfach nicht zum Schluss.
Dreh ihm die Aufmerksamkeits-Dusche ab! Jemand, der mansplained, nimmt sich mit den überflüssigen Erklärungen deinen Raum und versucht, deine Aufmerksamkeit zu binden. Mansplaining hat immer etwas mit mangelnder Selbst- und Fremdwahrnehmung der gerade sprechenden Person zu tun, leider. Diese Typen sollten eindeutig ein Kommunikations-Training besuchen…
Was du tun kannst: überprüfe, ob du unbewusst viele sogenannte Rezipienz-Signale einsetzt: das sind kleine, bestätigende Äußerungen und Laute. So etwas wie „mhm“, „ja“, „genau“ oder auch einfach ein immer wiederkehrendes Kopfnicken. Diese Signale setzen Frauen signifikant häufiger als Männer ein – sehr soziale Zeichen. Denn sie ermuntern die gerade sprechende Person zum Weiterreden. Wenn du viele solcher Signale sendest, fahre sie in so einem Fall herunter. Geh auch raus aus dem Blickkontakt und signalisiere deutlich, dass du auch etwas sagen willst. Dazu musst du wiederum Spannung aufbauen – und wenn deine Chance kommt, dann rein: „Danke, ich kenne mich damit bestens aus.“
Vor allem wichtig: lass dich nicht klein machen – bleib groß. Das ist auch eine Frage der inneren Einstellung. Das Unbedingt-die-Welt-erklären-Wollen des Typen hat weniger mit dir und deiner Kompetenz zu tun, als vielmehr mit seinem unbedingten Wunsch, gesehen zu werden und mit seinem Ego. Vielleicht gelingt es dir, ihn von außen zu betrachten: dadurch bekommst du eine wohltuende Distanz zu seinem Groß-Getue und kannst deine eigenen Energien für einen starken Konter besser sammeln.
Öffentliches Reden, z.B. bei Präsentationen und/oder vor großen Gruppen, bereitet vielen Menschen Angst. Insbesondere, wer zierlicher Statur ist oder von Natur aus nicht mit der lautesten Stimme ausgestattet wurde, fühlt sich vielleicht wie ein piepsendes Mäuschen. Welche Möglichkeiten zu wirkungsvollem Sprechen gibt es außer Lautstärke?
Wirkungsvolles Sprechen ist die Summe aus vielen einzelnen Teilen. Und Lautstärke ist absolut nicht das Wichtigste davon!
Beginne mit einem bewussten Auftritt: Husche nicht nur schnell-schnell auf deinen Platz da vorne, sondern tritt offen und präsent vor die Leute. Wenn du dann vorne stehst, nimm dir Zeit, wirklich anzukommen: es dauert immer ein paar Sekunden, bis du ganz da bist. Dann achte nochmal auf deine Haltung: Brustbein raus (ich sage dazu: „den inneren Scheinwerfer anschalten“) und sicherer Stand.
Schau die Leute an, die da so erwartungsvoll vor dir sitzen: dadurch baust du eine Beziehung auf. Sie dürfen dich ansehen, und du schaust sie genauso an. Dann atme nochmal aus: gerade bei Nervosität tendieren wir dazu, zu viel einzuatmen und nie die Luft und damit auch die Spannung rauszulassen. Dann kannst du fokussiert zu sprechen beginnen.
Sende deine Worte an die unterschiedlichen Leute, die vor dir sitzen: du baust Blickkontakt auf und sprichst jeweils eine kurze Sequenz direkt zu einer Person. Dadurch erreichst du die Leute: direkte Ansprache ist wichtiger als Lautstärke. Zum Üben kannst du dich in die Mitte eines Raumes stellen und dann ausprobieren, deine Worte in die unterschiedlichen Zimmerecken zu schicken.
Wirkungsvolles Sprechen besteht also aus deinem präsenten Da-Sein im Raum, einer starken Beziehung zu deinen Zuhörer*innen und natürlich aus einem wirklich sicheren Umgang mit deinen Inhalten.
Immer wieder gerne werden zwei Gegensätze beschworen, die als „weibliche“ und „männliche“ Kommunikation etikettiert werden. Um dieses binäre Verständnis nicht weiter zu vertiefen, welche unterschiedlichen Kommunikations-Stile gibt es? Welche dominieren, welche gilt es deiner Meinung nach zu fördern?
Ich unterscheide gerne zwischen dominanten und weniger dominanten Kommunikationsmustern.
Wer dominantes Gesprächsverhalten zeigt, unterbricht häufiger und treibt Sprecher*innen-Wechsel voran: z.B. indem eine Person unterbrochen wird und dann das Rederecht an eine dritte Person weitergereicht wird. Außerdem wird jemand mit dominanten Verhaltensweisen im Gespräch mehr Redezeit beanspruchen und versuchen, öfter das Wort zu haben. Wenn Gesprächsthemen stark gesteuert werden oder Themenwechsel immer von gleicher Stelle eingeleitet werden, ist auch das dominant.
Menschen mit wenig dominantem Gesprächsverhalten stellen eher Bezüge zwischen den einzelnen Gesprächsinhalten her und führen Themen anderer weiter, selbst wenn die eigenen nicht beachtet werden. Auch Fragen zu stellen ist wenig dominant: natürlich, denn dadurch bekommt eine andere Person die Möglichkeit, eine Antwort zu geben. In Gesprächen stellen Frauen typischerweise häufiger Fragen.
Wenig dominantes Gesprächsverhalten geht auch oft mit sprachlichen Abschwächungen einher. Das sind Wörter wie: „eigentlich, „sozusagen“, „nur“, „tatsächlich“. (Du hast wahrscheinlich sofort eine Idee, was deine eigenen Lieblingswörtchen sind.) Auch Vor-Erklärungen („Ich bin ja keine Expertin dafür, aber …“) oder Entschuldigungen („Entschuldigung, ich will auch nur mal ganz kurz …“) gehören zu den wenig dominanten Mustern.
Bei der Auseinandersetzung mit dominantem und weniger dominantem Gesprächsverhalten ist es sehr wichtig, immer auch die Hierarchieverhältnisse und die jeweiligen Rollenzuschreibungen (die Chefin, der Sekretär) in einem Gespräch in den Blick zu nehmen.
Es gibt natürlich auch Situationen, bei denen Männer wenig dominantes Gesprächsverhalten zeigen, das ansonsten gerne als „typisch weiblich“ charakterisiert wird: wenn sie sich in einer hierarchisch niedrigen Position befinden. Deswegen kann es für mich niemals darum gehen, dass Frauen nur die Kommunikationsstile nachahmen, die sie selbst oft als destruktiv und dominant erlebt haben.
Ich wünsche mir, dass unabhängig vom Geschlecht kooperative, verantwortungsvolle und auf Lösungen ausgerichtete Kommunikationsstile gestärkt werden. Aktives Zuhören und verständliches Erklären sollten dabei ebenso im Fokus stehen wie wertschätzende Gesprächsführung und viel Bewusstsein über eigene und fremde Mechanismen im Gespräch. Gute Kommunikation entsteht nur durch ein wirkliches Miteinander.
Und zum Schluss: Was ist deine Lieblingsübung, die man vor der großen Präsentation oder dem Referat noch schnell machen kann?
Atmen. Ganz bewusst einatmen, und langsam wieder ausatmen. Wiederholen, wiederholen, wiederholen. Über den Fokus auf das Ein- und Ausatmen können wir das Stressniveau deutlich absenken. Gleichzeitig ist unser Atem das Nummer-1-Tool, das wir immer dabeihaben. Du kannst dich auf den Atem konzentrieren, während du schon im Meetingraum sitzt oder wenn du hinter der Bühne stehst – immer! Das gibt Ruhe und fokussiert dich. Und bevor du anfängst zu sprechen: einmal noch tief ausatmen. Und auf den nächsten Luftstrom beginnst du zu sprechen!
Mehr Infos zu Beatrix Schwarzbach und ihrem Angebot findet ihr hier: www.beatrixschwarzbach.de