Die liebevollste Polizei-Serie

Die liebevollste Polizei-Serie

Ich habe eine vierwöchige Schreibzeit hinter mir, keine Termine, keine Ablenkungen, nur mein Manuskript, meine Figuren und ich. Das brachte zwei interessante, unerwartete Faktoren mit sich:

  1. Ich habe abends gesprochen, als wäre ich „frisch aus dem Ausland zurückgekommen“ – O-Ton meiner besten Freundin. Mir fielen die einfachsten Wörter nicht mehr ein, ich hab’ Sätze falsch zusammengebaut, alles ein großes, geschütteltes, verausgabtes Durcheinander in meinem Sprachzentrum.

  2. Ich habe angefangen, eine Netflix-Serie anzuschauen. Was ich sonst nie tue.

Ich weiß natürlich, dass es tolle Fernsehserien gibt, aber ich habe zum einen große Abgrenzungsschwierigkeiten bei Serien (und bereits eine eigene seltsame Familie, über die ich abends im Bett genug nachdenken muss) und zum anderen schaue ich sowieso den ganzen Tag schon in meinen Computer, da packe ich oft abends keinen Bildschirm mehr.

Aber.

Nachdem ich jetzt jeden Tag so intensiv in meine eigene Geschichte hineingeschlüpft bin, war es mir ein heftiges Bedürfnis, abends (okay, wenn ich ehrlich bin: mittags) effizient wieder hinaus zu hüpfen. Und dafür eignen sich natürlich unterhaltsame 20-Minuten-Geschichten-Häppchen ziemlich gut.

Was ich eigentlich sagen will:

Ich finde die amerikanische Polizei-Sendung „Brooklyn 99“ großartig. 

Es geht in der Serie um eine Polizeistation in New York und das Team der dort arbeitenden Detektive. Es geht weniger um wirkliche Fälle als um die Zusammenarbeit und Zusammenstellung dieser etwas schrägen Menschen. Klassische Sitcom also, nur ohne eingespielte Lachtracks.

Rosa, die Badass-Detektivin / Charles, der Food-Blogger / Holt, der stoische Captain / Jake, der Goldjunge / Amy, die unverhohlene Streberin / Terry, der emotionale Familienvater / Gina, die tanzende Assistentin

Rosa, die Badass-Detektivin / Charles, der Food-Blogger / Holt, der stoische Captain / Jake, der Goldjunge / Amy, die unverhohlene Streberin / Terry, der emotionale Familienvater / Gina, die tanzende Assistentin

Ja, im Mittelpunkt steht ein junger, weißer, niedlich-tollpatschiger Mann. Aber um ihn herum ist eine höchst angenehm diverse Mannschaft aufgestellt: Es spielen gleich zwei Latina-Frauen Hauptrollen, der Captain ist schwarz und schwul, und jede Figur darf holprig, eigen, verletzlich und durch und durch weird sein – ohne dafür dauernd in die Pfanne gehauen zu werden. 

Die Serie spielt in einer wunderbaren Parallelwelt, in der keiner mit der Wimper zuckt über eine weibliche Vorgesetzte oder darüber, dass der Muskelberg-Cop gestresst ist durch seine kleinen Kinder (und regelmäßig weint), in der Männerfreundschaften ein ernstzunehmendes Thema sind und Frauen untereinander mehr über ihre Arbeit sprechen als über ihre Beziehungen. 

Und: Es menschelt natürlich durch und durch, und romantische Verknüpfungen ergeben sich und werden wieder gelöst, aber es werden keine anzüglichen Witze gerissen, und Kommentare über das Aussehen der männlichen Darsteller gibt es in ähnlich geringem Maß wie über das der weiblichen Darstellerinnen.

Rosa in wütend

Rosa in wütend

Selbst der erwähnte Tollpatsch, um den die Serie kreist, ist weder dumm noch naiv, und bekommt regelmäßig Gelegenheit zu zeigen, dass er eigene Werte hat und die vertritt: Er positioniert sich immer wieder eindeutig gegen Homophobie und Sexismus, spricht bei einem unbekannten Captain von „he or she“, hat lebendige platonische Freundschaften mit Frauen, die nicht gleichzeitig seine Sex-Partnerinnen sind.

All das passiert so alltäglich und ist so mainstream-kompatibel, dass es vermutlich einigen Menschen auf den ersten Blick gar nicht auffällt, wie progressiv die Sendung eigentlich ist, und wie viele wirkliche Vorbilder darin enthalten sind. Das ist kein Nischen-Kulturerzeugnis, diese Serie ist zugänglich und unterhaltsam und völlig „normal“. Womit sie vermutlich deutlich mehr Menschen erreicht als eine Serie, die „Diversity“ auf ihre Flaggen geschrieben hat.

Amy nimmt Raum ein

Amy nimmt Raum ein

Natürlich ist es nicht perfekt, natürlich werden auch mal flachere Witze und Stereotypen verwendet, natürlich muss ich auch manchmal einfach nur mit den Augen rollen. Aber viel öfter muss ich wirklich laut lachen, und ich stelle fest, wie lieb ich diese Charaktere und ihre alberne Art gewonnen habe.

Das ist für mich überhaupt ein zentraler Begriff für Brooklyn 99: Es ist eine unglaublich liebevolle Serie. Mit liebevollen Figuren, die sich, wenn man genau hinschaut, immer wieder gegenseitig dazu anregen, sich für Freundschaft, Offenheit und Verletzlichkeit zu entscheiden. Was sehr viel mehr ist, als ich von einer Polizeikomödie eigentlich erwarte.

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