Wepsert Lesetipps: Jackie Thomae
Im Rahmen des Black History Month stellen wir euch ein paar unserer Lieblingsautorinnen vor. Heute:
Jackie Thomae: Brüder (2019)
Jackie Thomae war letztes Jahr mit ihrem zweiten Roman “Brüder” auf der Shortlist des Deuschen Buchpreises. Ich habe allerdings davor ihren ersten Roman “Momente der Klarheit” gelesen, der sich fluffig und amüsiert liest. Es geht um viele enddreißiger Paare aus der Medienszene in Berlin, die kurz vor oder in einer Trennungsphase stecken. Schon da fiel mir ihr eigenwilliger Ton auf: eine Mischung aus tiefer Empathie für ihre ziemlich gut ausgearbeiteten Figuren und eine humoristisch-bitter-ironische Grundstimmung. Während des Lesens schwankte ich zwischen Phasen der Deprimiertheit über den Zustand der Menschheit und euphorischem Verstehen von Liebe und menschlichem Begehren; dazwischen kamen viele Aha-Momente und Phasen des totalen Widererkennens. Teilweise auch ein bisschen klischeehaft, aber immer mit einem Augenzwinkern. Das fand ich zwischendurch auch anstrengend. Aber vielleicht auch, weil mich das im Roman beschriebene Milieu angestrengt hat.
Ihr zweiter Roman hat mich dann total mitgerissen. Mit welcher Selbstverständlichkeit sie gesellschaftspolitische Themen mit hollywoodhafter Spannung verknüpft und dabei wieder ihre ausgezeichnete Figurenausarbeitung! Es macht einfach Spaß die beiden afrodeutschen sehr unterschiedlichen Brüder durch zwei unterschiedliche Jahrzehnte zu begleiten. Dabei werden diese Jahrzehnte im Osten und Westen Berlins sowie in London stellenweise in einer Manier porträtiert, die mich an Annie Erneaux erinnert hat und mich sehr begeistert. Themen wie Identität, Race und Gender gehen in toll formulierten Passagen in die Tiefe, nur um wieder hinter der Story und dem Erleben der Figuren unterzutauchen. Stereotype werden ausgepackt, nur um im nächsten Satz auseinandergelegt zu werden. Die Story selbst bleibt bis zum Schluss spannend. Auch die Frauenfiguren haben mir Spaß gemacht, beide sehr stark, beide ziemlich ungewöhnlich und liebevoll als Gegenstücke zu den beiden Brüdern entworfen. Außerdem hat mich der Roman an einigen Stellen zum Lachen gebracht, was ich bei Büchern sehr schätze. Auch hier kommt wieder der sarkastisch-bitter-ironische Ton von “Momente der Klarheit” hervor, aber um einiges subtiler als in ihrem Debüt, was dem Roman sehr zu gute kommt, wie ich finde.
Jackie Thomae hat außerdem noch mit Heike Blümner zusammen den Ratgeber “Eine Frau. Ein Buch.” geschrieben. Ich habe nur mal durchgeblättert, aber erfahren, wie frau einen Businessplan schreibt oder Humor vortäuscht. Klang nach einer ziemlich witzigen Anleitung zu ziemlich allem. Kann nicht schaden, das Buch im Haus zu haben.
Wenn ihr mehr von Wepsert zum Thema Literatur hören wollt, kommt am 7.3.2020 zu unserem FEM Festival im Kulturzentrum Giesinger Bahnhof (FemFestival). Abends gibt es Lesung und Diskussion, tagsüber Workshops. Wir freuen uns auf euch!