Slutwalk - Slutpride: Mit Glitzer und kreativen Outfits gegen Slutshaming in München
Achtung: Dieser Artikel betrifft den Slutwalk 2017. Der Slutwalk 2019 findet am 20. Juli von 15:00 - 22:00 Uhr statt. Mehr Infos zur Veranstaltung gibts hier.
Am Samstag demonstrierten Feminist*innen auf dem Slutwalk in München gegen die Verleumdung von Opfern und scheinheilige Argumente von Tätern. Die Slutwalks stehen jedoch auch in manchen feministischen Szenen unter Kritik. Eine Annäherung.
Das Problem ist alt und tief in unserer Gesellschaft verankert, wurde aber lange gar nicht als Problem wahrgenommen. In jüngerer Zeit bekam es einen Namen, wie so viele Probleme unserer Zeit musste er aus dem Englischen entlehnt werden, da das Deutsche keinen Begriff dafür kennt: Slutshaming.
Er beschreibt den Akt, vor allem Frauen*, aber auch schwule Männer*, für ihr Outfit oder ihr Sexualverhalten zu beleidigen und für Gewalt, die ihnen eventuell angetan wird, selbst verantwortlich zu machen (auch "Victimblaming"). Zu kurzer Rock, zu kecker Blick, zu promiskuitiv (hat Sex mit vielen Menschen), zu prüde, zu lesbisch, zu dominant, zu schüchtern. Argumente sind unendlich und haben vor allem eines gemein: Sie sind falsch. Frauen* und Männer* werden nicht zu Opfern sexueller Gewalt und Übergriffen, weil sie irgendetwas nicht richtig machen: Sie werden zu Opfern, weil der Täter oder die Täterin sich übergriffig und kriminell verhält. Oder wie es auf der Eröffnungsrede auf dem Slutwalk am Samstag in München treffend formuliert wurde: “Wenn dir jemand von hinten ins Auto fährt dann sagt auch niemand: selbst schuld, wenn du das Auto aus der Garage geholt hast.”
Der erste Slutwalk fand 2011 in Toronto (Kanada) statt, als Reaktion auf die Aussage eines Polizisten, dass “Frauen vermeiden sollten, sich wie Schlampen anzuziehen, um nicht zum Opfer zu werden.” Dieser Demonstrationszug wendete sich gegen solche und alle anderen Arten des Slutshaming und Victimblaming und propagierte ein freies und selbstbestimmtes Ausleben von Sexualität aller Menschen. Seit dem Vorfall in Toronto findet der Slutwalk überall auf der Welt statt, um gegen die ungerechte Behandlung der Opfer und den damit zusammenhängenden Sexismus anzukämpfen. Das Wort "Slut" bzw. "Schlampe" ist an sich eine extreme Beleidigung für Frauen* und so nie auf (hetero-) Männer anwendbar. Es steht für eine historisch gewachsene Unterdrückung von Frauen, die dafür gebrandmarkt werden (vermeindlich) außerhalb der Ehe oder festen Beziehung sexuell aktiv zu sein. Bei den Slutwalks soll es neu besetzt werden und der sexistischen Gesellschaft einen Spiegel vorhalten, indem es als Selbstbezeichnung verwendet wird.
Slutwalks wurden in feministischen Szenen nicht immer nur positiv aufgenommen. Einerseits wird von weißen Anti-Porno-Feminist*innen argumentiert, dass das Wort "Slut" (Schlampe) so grundlegend für die weibliche Unterdrückung benutzt wurde, dass es unmöglich sei, ihm eine emanzipatorische Bedeutung zuzuschreiben. Andererseits kritisieren Schwarze Frauen, es komme dem Wort "Slut" für Women of Colour eine schwer ins Positive umkehrbare Bedeutung zu, da es historisch gesehen für eine doppelte Diskriminierung von Schwarzen Frauen führe. Die Slutwalk-Gruppe in Berlin löste sich 2012 nach einer rassistischen Aktion der Femen Aktivist*innen und einer darauf folgenden Diskussion über Rassismus auf dem Slutwalk auf. Insgesamt gibt es jedoch auch Stimmen von PoCs (People of Colour), die fordern, die Slutwalks auch für die Emanzipation Schwarzer Frauen zu nutzen, da für das Wort eine positive Bedeutung erkämpft werden müsse.
In München wird der Slutwalk seit 2015 organisiert und ist eine wichtige Stimmballung zu feministischer Selbstbestimmung in der Stadt. Letzten Samstag, den 22.7.2017, fand er abermals statt und präsentierte kluge Argumente gegen Slutshaming und Victimblaming. Der Aufruf richtete sich an alle Menschen, gab keinerlei Vorgaben zum Dresscode und porträtiert unter anderen auch Women Of Colour. Auch wenn die Diskussion um die Slutwalks und deren Begrifflichkeiten und Inklusivität wichtig ist und wir uns weiter damit auseinander setzen müssen: In München bietet der Slutwalk eine rare und ungewöhnlich offene Behandlung und Aufmerksammachung des Themas sexuelle Gewalt. Wir waren dabei und teilen unsere Eindrücke mit euch: tolle Plakate, tolle Outfits, starke, sex-positive Menschen und viel Glitzer!