The Revival of PINK
Frauengangs, Pussyhats und künstlerische Intervention. Pink wird mehr und mehr zur Farbe der Emanzipationsbewegung. - Warum tue ich mir trotzdem so schwer, sie zu mögen? Eine Investigation.
Warum finden viele von uns Pink uncool? Hässlich? Billig? Weil es eine Frauen*farbe ist? Weil es zur Frauen*farbe gemacht wurde? Zur Schwulenfarbe? Im Gegensatz zu vielen heterosexuellen Männern, die sich von Pink abgrenzen, um in einer homophoben Gesellschaft nicht als schwul zu gelten, versuchen viele Frauen*, sich vor einer Schubladeneinordnung in die Kategorie „typische Frau“/“typisches Mädchen“ zu schützen. Zu stark sind die Assoziationen, die laut englischem Wikipedia-Artikel mit dieser Farbe verknüpft sind:
pink is the colour most often associated with charm, politeness, sensitivity, tenderness, sweetness, childhood, femininity, and the romantic. When combined with white, it is associated with innocence. When combined with violet or black, it is associated with eroticism and seduction.
Alles Assoziationen, gegen deren Ultimativität sich die emanzipierte Weiblichkeit grundlegend wehrt. Oder mit anderen Worten: wenn mich eh schon alle als süß, unschuldig oder sexuell wahrnehmen, nur weil ich eine Frau bin, warum sollte ich diesen Eindruck noch verstärken indem ich diese Farbe trage? Das Spektrum der Farbe Pink verschwindet aus den Kleiderschränken und damit aus dem Identifikationsfeld. Pink und ich – no way. Dabei interessiert es kein bisschen, dass Pink früher eine Farbe war, die hauptsächlich Männer trugen, weil sie als exklusiv galt.
Feminist*innen und feministische Künstler*innen zeigen allerdings vermehrt einen anderen Weg auf: sich die Farbe, gerade weil sie stigmatisiert wird, anzueignen, mit diesen Assoziationen zu brechen oder sie bewusst einzusetzen und sie somit der Deutungshoheit dieser Strukturen zu entziehen. Die indische Frauenrechtsgruppe Gulabi Gang verprügelt in pinken Saris Männer, die sich daneben benehmen. Auf den Women's Marches gegen Trump dominiert Pink in Form von Bannern, Kleidern, Pussymützen und Haarfarben. In Berlin widmete ein feministisches Kollektiv eine ganze Ausstellungsreihe, namens „puderpink“ dieser Farbe. Die drei Künstler*innen Amanda Mandala, Lotti Seebeck und Sophie Le Roux riefen den ganzen Februar über zur Einsendung von Kunstwerken, Performance-Ideen und Lyrik auf, um die Farbe Pink zu feiern und für sich zurückzuerobern (to celebrate, to interrogate and to reclaim the right to PINK!). In drei Veranstaltungsevents und einem ganzen Monat Ausstellung wurde so viel Pink zusammengetragen, dass es unmöglich ist, nur von einer Farbe zu sprechen. Ist diese vielfältige Zelebration von Pink als revolutionäres und künstlerisches Element also ein gegenwärtiger Trend?
In der LGBTQ-Bewegung, mit der sich feministische Strömungen immer verschränkt sahen und sehen sollten, ist die Farbe schon lange Emanzipationszeichen und häufig gesehene Begleiterin von Demos und Paraden wie dem Christopher Street Day. Die Idee ist also nicht neu – nur sie erreicht den Alltag vieler Menschen nicht. Abseits von politischen Bewegungen und künstlerischen Kreisen fragen sich berufstätige, auch emanzipierte Mütter immer noch, ob sie ihrem Sohn erlauben sollen, eine pinke Jacke anzuziehen oder ob er dann im Kindergarten gemobbt wird. Und ob sie ihrer Tochter ein pinkes Kleid anziehen dürfen oder ob das dann zu billig ist. Das spiegelt natürlich die Unsicherheiten wider, die Kleidung stets hervorruft. Und letztendlich sagt das auch etwas über die Haltung oder den Mangel an Haltung der genannten Personen aus. Doch zeigt es auch, dass keine andere Farbe derartig streng kodiert ist. Sie bildet ein Netz für die strukturellen Einschränkungen in unserer Gesellschaft, an die sich die meisten immer noch anpassen.
Die Absurdität dieser Verknüpfung wird im Alltag nur selten bewusst gemacht und von Unternehmen noch verstärkt, indem Spielzeug, Essen, Kosmetik, Elektrogeräte und vieles andere sich mehr und mehr auf die Binarität der Geschlechter beruft. „Frauen-“ bzw. „Mädchenprodukte“ werden in Pink angeboten. Im Durchschnitt sind die pinken Produkte auch um einiges teurer als die "genormten“ (das nennt sich dann pink tax). Hier kann gezeigt werden, wie stark sich die Kodierung dieser Farbe vom Markt instrumentalisieren lässt, sexistische Strukturen auszunutzen. Und trotz all dieser Instrumentalisierung glauben mehr und mehr junge Leute nicht mehr an die Binarität von Geschlechtern. Laut Lauren Schwartzberg sogar 50 Prozent aller nach 2000 geborenen. Diese "Millennials" haben sich die Trendfarbe "Millennial Pink" schon als genderloses Markenzeichen auserkoren und sind somit ihren Vorgenerationen weit voraus.
Es ist nicht einfach, einmal antrainierte Schutzmechanismen abzulegen. Welche Farben getragen werden, hat auch viel mit dem Wohlfühlen im eigenen Outfit zu tun. Sich bewusst zu werden, dass es eigentlich absurd ist, eine Farbe so streng einem Gender oder bestimmten Eigenschaften zuzuordnen, ist relativ leicht. Sich davon zu befreien und dagegen zu handeln, nicht so sehr. Für mich war der Besuch in der Auststellung "puderpink" in Berlin erhellend. Ich habe mich irritierend seltsam in pinker Kleidung gefühlt, war überrascht, kein einziges pinkes Kleidungsstück in meinem Kleiderschrank zu finden und beginne mich nun zu fragen: warum eigentlich? Mit Sicherheit hat das nicht nur etwas mit Gender und Heteronormativität zu tun, sondern auch mit klassistischen Codes. Ich behaupte, dass gerade in Uni-/ akademischen Kreisen dunkle, gedämpfte Farben bei Kleidung ,Sophistication', also Kultiviertheit, Gewandtheit markieren. Hier geht es dann natürlich nicht nur um die Farbe Pink sondern generell auch darum, wie stark wir unsere politische Positionierung nach außen tragen. Reicht es denn, sich einfach die Nägel pink zu lackieren, um meine feministische Einstellung deutlich zu machen? Sollte ich mir nicht dazu noch die Kopfhaare rasieren oder mich in genderneutralen Schnitten kleiden um die Klischeehaftigkeit von Pink zu durchbrechen? Wenn ich meine feministische Einstellung durch Kleidung/Farben markiere, sollte ich nicht insgesamt meine politischen Einstellungen nach außen stärker markieren? Diese Fragen führen zu einer Diskussion, die gleichermaßen wichtig ist, die den Umfang dieses Artikels aber sprengen würde.
Dennoch, im Selbstversuch fallen mir schon die pinken Nägel schwer. Ich fühle mich ein bisschen barbiehaft und denke in der Arbeit, dass der Kollege, den ich neu kennenlerne und der meine Nägel leicht irritiert betrachtet, mich ja jetzt bestimmt in diese Dummchen-Schublade steckt. Ich werde unsicher. Hier merke ich, habe ich echt Verarbeitungsbedarf. Denn gleichzeitig gefallen mir die Nägel, sie sehen einfach cool aus. Ich habe also die sexistische Vereinnahmung von Pink komplett internalisiert, weil ich, obwohl mir die Farbe eigentlich gefällt (warum auch nicht?), stark negative Bilder damit verknüpfe. Genau deshalb finde ich Aktionen von Künstler*innen wie Amanda Mandala, Lotti Seebeck und Sophie Le Roux, sowie den Aktivist*innen aus Indien und den USA so wichtig: sie machen Lust, ermutigen, pushen, provozieren, die Facetten dieser diffamierten Farbe neu zu erkunden. Die positive und lustvolle Neubesetzung von Pink kann uns helfen, sexistische Strukturen aufzulockern, damit sie sich irgendwann auch im Alltag zu Puder auflösen.
☞ Weiterlesen:
- Webseite, die sich mit dem Thema Pink, Erziehung und sexistischer Werbung beschäftigt: www.pinkstinks.de
- Interview mit Hengameh Yaghoobifarah über Pink und Mode: Pink stinkt nicht | Femtastics
- Millenial Pink und die Millenials: Why millenial pink refuses to go away | The Cut
- Millenial Pink ist in: Millenial Pink is the colour of now - but what exactly is it? | The Guardian
- Podcast über pinkes Spielzeug und Gender: Princesses, pink and 'girly' culture – What would a feminist do? | The Guardian
- Über ein Leben in Pink: Pink ist eine Lebenseinstellung | Der Standard
- Über Männlichkeit und die lustige Debatte wem Farben gehören: Pinkest Pink and Blackest Black War | The Independent
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