Wir sind alle so schön! - Oder?!
Warum ich das Label „Schönheit" ablehne
Zur Zeit kursiert im Internet der Hashtag #notheidisgirl. Das feministische Kollektiv „Vulvarines“ aus Mönchengladbach hat ihn sich ausgedacht, um gegen die Schönheitsideale und Werte, die die Sendung Germany’s Next Topmodel verbreitet, zu protestieren. Ich folge dem Instagram-Account @notheidisgirl und finde, es ist eine gute Idee, so das Bewusstsein für ein gesellschaftliches Problem zu erhöhen. Denn ja, es ist ein Problem, dass Werbung, Medien und die Modeindustrie uns vorgeben, was wir schön finden und was wir gefälligst schön zu finden haben. Und es ist noch ein viel größeres Problem, dass vor allem Frauen* an diesen Maßstäben gemessen werden. Schönheitsidealen nachzueifern, kann nicht nur lebensgefährliche gesundheitliche Folgen haben. Sie suggerieren auch, dass der Wert einer Frau* sich immer noch daran bemisst, wie sie aussieht.
Was ich aber beobachte – und nicht nur auf dem Instagram-Account @notheidisgirl, sondern auch auf vielen anderen Internetseiten -, ist, dass der Protest gegen den Begriff „Schönheit“ sich hauptsächlich auf dessen Definition beschränkt, anstatt vollständig als Begriff abgelehnt zu werden. Was als „schön“ gilt, soll einfach neu definiert werden. Unter dem #notheidisgirl lese ich, „dass nicht nur schlanke, weiße cis-girls mit reiner Haut schön sind“, dass „JEDE Frau schön ist; unabhängig von Figur, Größe, Haarfarbe, Hautfarbe, Religion o.ä.“, dass „Frauen* auch ohne one size schön sind!“. Ich lese auch viel von „perfekt sein“ und, dass es auch okay ist, wenn man nicht perfekt ist. Ich lese von Menschen, die ihre „fetten Ärsche“ und ihre „Schwangerschaftsstreifen“ lieben. Und ich freue mich sehr darüber, das zu lesen.
Ein Teil von mir fragt sich aber auch, warum es so wichtig geworden ist, dass auf einmal alle schön sind. Dass gerade „Makel“, wie Narben, Zahnlücken, Monobrauen, Nasenhaare und Cellulite als schön deklariert werden. Denn Begriffe wie „Makel“ oder „unperfekt“, beinhalten ja immer noch, dass es auch einen Begriff von „perfekt“ gibt. Der Aufruf zu mehr Vielfalt ist letztendlich auch nur ein Wandel von Schönheitsidealen und keine Erlösung von den Erwartungen an Frauen*. Frauen* zelebrieren jetzt ihre Körper, es gibt unendlich viele Fotostrecken von Körpern und Frauen*, die sonst in den Medien nicht gezeigt werden. Und auf einmal gelten sie alle als „schön“. Sie müssen schön sein. ALLE Frauen* müssen schön sein. Sie haben keine Wahl.
Auch die Werbung hat längst damit angefangen, auf den Schönheitsbegriff aufzuspringen, der Diversität zelebriert. Man denke nur an die Diätwurst, die im Jahre 2000 mit dem Slogan warb: „Ich find mich gut, so wie ich bin!“, obwohl Paul meinen Hintern zu dick findet. Oder an die berühmte Dove-Werbung. Und ironischerweise gab es in der letzten Staffel von Germany’s Next Topmodel auch ein „Team Diversity“.
Versteht mich nicht falsch. Natürlich bin ich für mehr Vielfalt, mehr Diversität, mehr Gesichter, mehr Geschichten in der Werbung, in Medien, im öffentlichen Leben. Ich möchte nur nicht, dass Frauen* sich weiterhin am Wert „Schönheit“ orientieren müssen – egal wie man ihn definiert. Denn die Erwartung, dass Frauen* schön sein müssen, ist sexistisch. Sie stammt aus einer Zeit, in der das (wirtschaftliche) Überleben von Frauen* zu einem Großteil davon abhing, schön genug zu sein, um einen Ehemann zu finden.
In einem Artikel, der mich auch zu diesem inspiriert hat, habe ich vor einiger Zeit den Satz gelesen: „Du musst nicht hübsch sein, wenn du nicht willst.“ Dieser Satz hat unglaublich befreiend auf mich gewirkt, als ich ihn gelesen habe. Es ist meine Entscheidung, ob ich das will oder nicht!
Mein ganzes Leben schon habe ich mich an der Vorstellung von Schönheit abgerieben. Bin ich nun schön oder bin ich es nicht? Egal welche Parameter, welche Maßstäbe von Schönheit ich auch anwendete, ich kam einfach zu keinem Ergebnis. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass es wichtig für mich sei, meine Schönheit und somit meinen Wert als Frau zu kennen. Ich war gierig nach Komplimenten, sprach mit Freund*innen über meine Körperteile und Merkmale, teilte sie ein in „schön“ und „mag ich nicht“. Ich dachte, Schönheit sei wichtig bei der Partner*innensuche. Aber ich finde immer noch Partner*innen, obwohl ich den Begriff Schönheit nicht mehr benutze.
Ich lehne deshalb die Kategorie „Schönheit“ für mich ab. Es ist egal, ob ich „schön“ bin oder nicht. Ich möchte weder von mir noch von anderen nach einem Maßstab bemessen werden, auf den ich keinen Einfluss habe. Es ist, als hätte ich ein Schulfach aus meinem Zeugnis gestrichen, um das ich mich jetzt nicht mehr kümmern muss. Und wenn jemand immer noch meint, mir dafür eine Note geben zu müssen – nur zu. Aber sie wird keinen Einfluss auf meinen Gesamtwert haben.
Diese Einstellung ändert natürlich erstmal nur mein persönliches Problem und ist auch nicht immer leicht durchzuhalten. Aber auch ein Hashtag ändert nicht das Problem, dass das Dogma weiblicher* Schönheit weiterhin in der Gesellschaft bestehen bleibt. Was als schön gilt, mag sich ändern und sich durch Hashtags und das Internet neu definieren lassen. Aber der Druck auf die Frauen* bleibt trotzdem. Von diesem Druck kann man sich aber zumindest schon mal im eigenen Kopf befreien.