Unsere Abenteuer auf dem Further Festival

Unsere Abenteuer auf dem Further Festival

Am 2. und 3. November fand in Hamburg das erste Further Festival statt mit dem großen Ziel die “Menge toller weiblicher* Acts, die sicherlich auch eine Menge nicht nur weibliches* Publikum sehen will” präsenter zu machen und “einigen Branchenmenschen eine lange Nase zu zeigen” mit einem “hervorragenden Programm”. Wepsert hat sich für euch auf den langen Weg nach Hamburg gemacht, um diese tolle Idee zu unterstützen und in den Genuß der super kuratierten weiblichen* Acts und Lesungen zu kommen. Hier findet ihr unseren Bericht. Fotos und der Bericht über den ersten Tag sind von unserer wundervollen Hamburg-Gast-Korrespondentin Ayna Steigerwald <3

Natascha P. und Preach

Natascha P. und Preach

further festival Hamburg – tag 1 – 2.11.2018

Die erste Ausgabe des further* festivals im legendären Uebel und Gefährlich im vierten Stock des beeindruckend-unzerstörbaren Flakturms an der Hamburger Feldstraße. Ein kleines zweitägiges Festival Anfang November 2018 mit einem durchgehend weiblichen* Line-Up, das sich sehen lassen kann, von Sookee, Ebow und Ms Banks zu Margarete Stokowski und Stefanie Sargnagel.

Zwei Stages – eine zum Abgehen, eine zum Zurücklehnen – versprechen spannende, verdichtete Clubnächte. Die Bühne des „Ballsaals“ wird am ersten Abend klar dominiert von bassigem Auf-die-Fresse-Rap & Hip Hop, auf der zweiten, kleineren des „Turmzimmers“ geht es parallel um einiges ruhiger zu, mit einer Lesung von Margarete Stokowski (mit Paula Irmschler) und im Anschluss einer Saxophon-Kontrabass-Klavier-Kombo rund um Saskya (feat. Anna Lena Schnabel).

Ich bin alleine unterwegs und womöglich deshalb überpünktlich, was die Gelegenheit bietet, die Räumlichkeiten in Ruhe zu erkunden und an der Bar freie Sicht zu haben. Ganz allmählich, beinahe zögerlich füllt sich der mit Blumen geschmückte Musikclub, dessen Logo von einer stilisierten Rasierklinge geziert wird.

Den Live-Programm-Part eröffnet das Duo Preach und Natascha P., das von der ersten Sekunde an über die Bühne fegt und rappt, als gäbe es kein Morgen mehr. Die Zuschauer*innen lassen sich nicht lange bitten, nach wenigen Minuten fangen die ersten an, mitzutanzen. Vor ihrem anarchischen DJ-Pult-Banner „One Moth(A)“ gibt es schneidige Tracks wie „Bitte nicht füttern“ von Natscha P.s EP „Liebhaber – an diesem Abend Liebhaber*innen – des Halbschattens“. Nach einer kurzweiligen halben Stunde folgt nahtlos die Rapperin Ebow mit ihrer sehr coolen Bühnenbegleitung Matassá, die den inzwischen gut gefüllten Saal gekonnt und rastlos anfachen, mit Aufforderungen wie: „Lasst alles raus, es muss mal sein!“

Ebow und Matassá

Ebow und Matassá

Sookee

Sookee

Die Formation rund um Sookee schraubt weiter an der Euphorie-Schraube; sie nutzt aber auch das Mic, um nachdenklichere Töne anzuschlagen und „alle(n) traumatisierten Mädchen da draußen“ zu versichern, dass auch sie keine Geduld mehr habe und müde sei, die gleichen banalen Dinge wieder und wieder erklären zu müssen. Es gehe nicht darum, Frauen auf die Bühne zu holen, weil sie scheiße wären oder sonst nirgends spielten, sondern den Umstand des Ungleichgewichts ins Bewusstsein zu rücken. Und nichtsdestotrotz: „… wir machen weiter!“

Das Interesse am Auftritt von Margarete Stokowski ist nicht überraschend, doch immens. Der Raum ist voll, ich bin etwas zu spät und habe in dem L-förmigen „Turmzimmer“-Nebenraum keine Chance mehr, einen Blick auf die Bühne zu erhaschen. An die Bar gequetscht höre ich zu, wie Stokowski und ihre sympathisch-trockene Kollegin Paula Irmschler dem aufmerksamen Publikum von ihren alltäglichen Erfahrungen mit (männlichen) Hate-Mailern und deren Ignoranz-Gebaren berichten bzw. schallend unterhalten. Der lockeren und klaren Darbietung rund um „Wie gehen Sie mit dem Hass um?“ begegnen sie mit zwei Strategien: ignorieren oder Stress machen – „je nachdem worauf ich Bock habe“. Stokowski erzählt Anekdoten ihrer Twitter-Chat-Erlebnisse im Anschluss an eine ihrer Kolumnen über das Thema, warum Männer mehr zum Faschismus neigen, u.a. mit einem stolzen oben-ohne angeblich-AfDler, und fragt sich angesichts seines hebräischen Namens Rouven (oder Ruben?): „Wo ist der Sohn, über den sich deine Eltern so gefreut haben?“

Ihre Texte tragen Titel oder wahlweise Ratschläge namens „Nimm die Hand aus der Hose, wenn ich mit dir rede“, ihre Befunde wie „Hass (…) ist einfach kein gutes Konzept“ und „wenn man nicht argumentiert, (…) ändert sich gar nichts“ treffen auf dankbare Ohren. Natürlich weiß auch sie, dass sie längst nicht auf alle beleidigten Provokationen eingehen kann und sich verkorkste Frauenbilder nicht einfach durch ein oder eintausend Chat-Gefechte ändern lassen. Aber immerhin, „vielleicht wird es ein Buch“! (Ähnlich und doch ganz anders wie Stokowski wird Stefanie Sargnagel am folgenden Abend von ihren Erfahrungen mit Hate Speech berichten. Ihre Strategie: dagegen „rappen“.)

Das jazzige Trio im Anschluss ist mir persönlich – an diesem Punkt des Abends – gerade ein bisschen zu gemäßigt, aber es ist schön, dass auch leiseren Tönen Raum gegeben wird. Ich entscheide mich fürs Tanzen. Den Abschluss des ersten Festival-Abends gibt Ms Banks aus South London, die mit ihrer kraftvollen Performance sofort die Tanzfläche auf ihrer Seite hat. Spätestens, als sie ein paar junge Frauen auf die Bühne bittet, um gemeinsam mit ihnen abzudancen, erreicht das further festival für diese Nacht seinen Höhepunkt.

Der ganze Abend wird durchzogen von der Grundstimmung: lässig – ausgelassen. Viel Energie geht von den Bühnen-Frauen* aus und überträgt sich auf das durchaus durchmischte Publikum. Es fällt mir positiv auf, wie freundlich und rücksichtsvoll die Zuschauer*innen miteinander umgehen; überdurchschnittlich oft werde ich in diesen beinahe sechs Stunden angelächelt, unterdurchschnittlich oft werden meine Ellenbogen benötigt. Empowerment steht im Vordergrund. Zufrieden und in Vorfreude auf den zweiten Tag trete ich den Rückweg an.

von Ayna Steigerwald

Ms Banks

Ms Banks

further festival Hamburg – tag 2 – 3.11.2018

Von Ayna herzlichst empfangen und upgedated über Tag 1 stürzen wir uns zu dritt in die zweite Runde. Mit sphärigen träumerischen Tönen eröffnet Gloria de Oliviera die Hauptstage und entführt uns ganz behutsam in die Festivalcloud, wir bekommen sofort Lust auf mehr. Im Anschluss teilen wir uns auf: Stefanie Sargnagel UND Klitclique zur gleichen Zeit? Das ruft innere Entscheidungsqualen hervor, die wir nur im Losverfahren lösen können. Wir teilen uns auf.

Klitclique verstrahlen in ihren oberlässigen Sportoutfits einen solchen Swag, dass wir schon bald alle Muskeln entspannen und alles, was am Körper beweglich ist, mitschwingen lassen. Wir möchten unsere Artikel auch mit Beats unterlegen, beschließen wir, denn Labern macht einfach mehr Spaß mit Rhythmus dahinter. Bis jetzt ungeklärt ist die strittige Frage, ob Klitclique Jamiroquay sampeln oder nicht. Falls ja - Props von uns!

Sargnagel mit ihrer super selbstironischen und gleichzeitig auf den Punkt gebrachten Kritik einer klassistischen und sexistischen Gesellschaft bringt den Saal zu Lachtränen. Eine ältere Dame neben uns kann mit Fäkalhumor und Rapbattlestyle nicht so viel anfangen, wir findens grandios. Aber auch das zeichnet das Furtherfestival aus: Hier kommen tatsächlich Generationen von Feminist*innen zusammen. Klar, die Übermacht der Besucher*innen ist zwischen 20 und 40, aber es gibt auch überraschend viele aus der zweite Welle Fraktion, was wir total begrüßen. Es gibt so wenige Orte wo das mal passiert. Also thumbs up dafür!

Charlotte Brandi faszinierte mit ihrem Changieren zwischen dem mitreißendem Charme eines Motown- oder Choir Girls und ihrer fiona-apple-esken Intensität. Ihr nuancierter Gesang und das pointierte Songwriting zogen uns sofort in den Bann. Stundenlang hätten wir ihr Minenspiel beim Singen, ihre Musikerinnen an Gitarre und Cello beobachten mögen. Für die etwas ruhigere Stimmung am früheren Abend des Festivalsamstags waren Charlotte Brandi und Band genau richtig; wir hatten den Eindruck, auch das restliche Publikum öffnete sich für ihre Lieder und ließ sie tief in sich wirken. Wir glauben, sogar ein Nick-Drake-Cover gehört zu haben.

Im Turmzimmer spielt danach Derya Yildrim, deren magischer Laute und anatolischen Folkklängen wir ein bisschen lauschen. Aber dann ist Party angesagt und wir dancen zu Catnipp. Mit luxuriösen Raucherpausen im goldenen Loungebereich im 50s-Stil schließen wir einen unvergesslichen Abend ab.

von Alisha Gamisch und Heike Fröhlich

Gloria de Oliveira trägt einen sophisticated Skaterrock und ein Lamé-Crop-Top mit Knoten über dem Nabel. Dass sie an Julee Cruise erinnert, wurde ihr sicher schon tausendmal gesagt, und wir hoffen, sie freut trotzdem sich immer noch darüber!

Gloria de Oliveira trägt einen sophisticated Skaterrock und ein Lamé-Crop-Top mit Knoten über dem Nabel. Dass sie an Julee Cruise erinnert, wurde ihr sicher schon tausendmal gesagt, und wir hoffen, sie freut trotzdem sich immer noch darüber!

Klitclique haben uns die Socken straffgezogen.

Klitclique haben uns die Socken straffgezogen.

Charlotte Brandis Gitarristin

Charlotte Brandis Gitarristin

Charlotte Brandi und ihre fabelhafte Band

Charlotte Brandi und ihre fabelhafte Band

Catnapp war immer in Bewegung und daher schwer fotografisch einzufangen. Oder vielleicht lag es daran, dass auch unsere Fotografin wie Hulle umherbouncte.

Catnapp war immer in Bewegung und daher schwer fotografisch einzufangen. Oder vielleicht lag es daran, dass auch unsere Fotografin wie Hulle umherbouncte.

Poetry: The Palace Festival 3 - Charlotte Seebeck

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Girl Crush: Afra Bobo

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