Songs & Schnack: Bluestocking
Wenn Oralsex und Bildung zusammenkommen, gibt es kein Halten mehr! Bluestocking, der 1991 veröffentlichte Song des Großmeisters im kultivierten Verweis Nick Currie alias Momus, verbindet die zwei schönsten Sachen der Welt: Literatur und Sex. Und Feminismus.
Momus Lieder, die nicht nur akustisch taugen, sondern nicht selten auch als Buchtipps hergenommen werden können, spielen auf allerhand Kulturerzeugnisse an. So sind selbst die minimalistischsten Songs ein Referenzfest, bei dem man so richtig viel entdecken kann.
Im herrlich erotischen Säuselsong Bluestocking finden wir uns im Bett wieder, aus amouröser Begeisterung des Sängers für die Belesenheit seines Gegenübers. Und während, so stellt man sich vor, dieser gebildete Kopf zwischen die Beine des Partners eintaucht, sind die Gedanken noch bei den Klassikern der erotischen Literatur, die folgend aufgezählt werden.
Belesenheit ist also sexy, erfahren wir, und in diesem Lied offensichtlich im Wortsinne und nicht in in Form eher peinlicher Bekenntnisse zur Sapiosexualität. Die zitierte Literatur, noch dazu auf Französisch - tien, tien! - ist ein massiver Turn-on und der Sänger fordert sein Gegenüber auf, den Mund mal eben kurz freizumachen, damit Marguerite Duras hyper-romantische Zeilen geflüstert hörbar werden. Seufz!
Allein die literarischen Referenzen vereinen viele Ansätze und Konzepte von Sexualität und Liebe, sind implizit queer. Besonders interessant ist aber der Kosename, mit dem Momus das begehrte Brain hier belegt: Bluestocking, „Blaustrumpf“.
Bei „Blaustrumpf“ handelt es sich hier um ein zärtliches Reclaiming eines Schimpfworts für Frauen, das im 18. und 19. Jahrhundert verbreitet war. Man bezeichnete so abwertend Frauen, die nach Emanzipation und intellektuellem Wachstum strebten. Blaustrümpfe trafen sich zu gelehrten Diskussionen im Salon von Elisabeth Montagu, zu den Gästen zählte z. B. auch Ada Lovelace.
In Momus Song verwandeln sich die Blue Stockings in blaue Nylons, die über Haut spannen und ebenso anregend sind wie der kluge Mensch, der darin steckt.
Hier die (fast) vollständige Leseliste:
- Ovid: Amores, Ars Amatoria
- Anaïs Nin: Das Delta der Venus
- Hoheslied
- Nafzāwī: Der parfümierte Garten
- Georges Bataille: Die Geschichte des Auges
- Titus Petronius Arbiter: Satyricon
- Tausendundeine Nacht
- Giovanni Boccaccio: Dekameron
- Marquis de Sade: Die 120 Tage von Sodom
- Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz
- Philip Roth: Portnoys Beschwerden
- Frank Harris: My Life and Loves
- Paul Verlaine: Triolets
- Lautréamont: Die Gesänge des Maldoror
- G. Cabrera Infante: vmtl. Infante's Inferno
- Mishima Yukio: Geständnis einer Maske
- Marguerite Duras: Les Yeux bleus cheveux noirs