Sexismus an Hochschulen, Teil 3: Interview mit Sirka Elspaß
Nachdem Lena Vöcklinghaus bereits mit uns über die Debatte rund um Sexismus an Hochschulen gesprochen hat, freuen wir uns sehr über ein weiteres Gespräch zu diesem Thema – dieses Mal mit Sirka Elspaß, die in Hildesheim Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus studiert, ebenda lebt und arbeitet und sich in ihrer Arbeit mit Feminismus und dem Leben mit psychischer Erkrankung auseinandersetzt:
Du bist ja direkt vor Ort in Hildesheim und hast somit die gesamte Entwicklung der Diskussion mitbekommen – haben sich deiner Wahrnehmung nach in den letzten Wochen die Inhalte oder der Tonfall der Gespräche verändert? Ist das eine begrüßenswerte Entwicklung?
Der Diskurs erreichte nicht sofort nach Erscheinen des anonymen Artikels die Studierenden. Das Kollektiv SOLO, das sich im Zuge der Diskussion bildete, hat später kritisiert, dass viel zu lange Gespräche hinter verschlossenen Türen stattfanden - zum Beispiel zwischen Dozierenden und der Redaktion der Studierendenzeitung. Eine öffentliche Stellungnahme gab es als erstes von Seiten der Redaktion. Später begann sich das Kollektiv zu formieren und Ende des Semesters fand - zwei Monate nach Erscheinen des Artikels - endlich eine öffentliche Vollversammlung mit Studierendenvertreter*innen und Dozierenden statt. Das war zu diesem Zeitpunkt längst überfällig.
Eine wichtige Rolle spielte auch das von Studierenden des Literaturinstitutes organisierte Festival PROSANOVA: Die ersten Texte zum Thema erschienen auf dem PROSANOVA-Blog, auf dem Festival selbst lag ein Ordner mit allen bisher erschienenen Texten aus, inklusive der anonymen Polemik. So hatten alle Besucher*innen die Möglichkeit einen Einblick in die Diskussion zu bekommen, die bis dato kaum jemanden außerhalb der Hildesheimer Domäne erreicht hatte. Auf dem Merkur-Blog finden sich mittlerweile eine ganze Reihe großartiger und differenzierter Texte zum Thema. Das begrüße ich sehr. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, auf welche Weise der Diskurs intern weitergeführt wird. Ich hoffe auf weitere zielführende Gespräche. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass die Institutsleitung früher reagiert und sich öffentlich mit den Vorwürfen auseinandergesetzt hätte.
Wie reagiert dein Nicht-Schreibschul-Umfeld auf diese Diskussionen? Meinst du, es ist möglich, dass die Impulse und Anregungen daraus auch weitere Kreise ziehen können? Wie könnte das gelingen?
Absolut! Menschen aus dem Nicht-Schreibschul-Umfeld, mit denen ich über den Diskurs spreche, begrüßen diesen sehr. Struktureller Sexismus, eng verzahnt mit Rassimus, ist nicht nur ein Thema an Schreibschulen, sondern ein alltägliches. Strukturen wie diese finden sich überall. Die Diskussion geht mittlerweile über den Schreibschul-Kontext hinaus, es geht auch um Diskriminierung im allgemeinen universitären Kontext. Dass die Diskussion ihre Kreise zieht, ist wichtig. Ich möchte nicht von einem Paradebeispiel sprechen, trotzdem kann sich jede*r meiner Meinung nach eine Menge von der Diskussion am Hildesheimer Literaturinstitut abschauen. Educate yourself! That's an ongoing process.
In dem Missy-Interview sagst du so toll, dass du nicht mehr so höflich sein willst – hilft dir das, was in den letzten Wochen passiert ist und diskutiert wurde, dabei? Was könnte dir dabei helfen?
Auf jeden Fall! Der Diskurs ist für mich gleichzeitig ein enormer Lernprozess. Für sich und die Rechte der Anderen einstehen - dazu braucht es ein ordentliches Rückgrat mehr als maximale Höflichkeit. Aber die Sache hat mir auch gezeigt: Auf Krawall gebürstet lassen sich zwar Diskurse anfechten, aber keine Diskurse führen. Auf längere Sicht ist es wichtig, den richtigen Tonfall zu finden. Ich neige dazu stets freundlich und höflich zu sein, so wurde ich geprägt. Im Austausch mit anderen Studierenden habe ich gelernt, dass es manchmal keinen anderen Weg gibt, als auf den Tisch zu hauen. Und dass man das Recht hat wütend und unhöflich zu sein, wenn einem Unrecht widerfährt.
Die Themen Leselisten und ein Kanon, der nicht nur aus älteren weißen Herren besteht, tauchen immer wieder auf. Wer wäre auf jeden Fall in deinem alternativen Kanon?
Alfonsina Storni, Warsan Shire, Mithu M. Sanyal, Carolin Emcke, Herta Müller, Sylvia Plath, Anne Sexton, Sibylle Berg, Chris Kraus, Zadie Smith und Lann Hornscheidt! (unvollständig)
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Sirka Elspaß schreibt auf www.fred-erika.de, Kleinteiligeres findet man auf ihrem Instagram-Feed.