Ricarda Kiels neuer Lyrikband „Kommt her ihr Heinis ich will euch trösten“
Meldung in eigener Sache: Unser Wepsert Crew Member Ricarda hat ganz frisch einen Band mit literarischen Texten herausgebracht und wir sind stolz wie Bolle! Die bei Hochroth München erschienene handgemachte Broschur enthält Gedichte, von denen die kürzesten in der Handschrift der Autorin abgedruckt sind. Ricardas Texte kletten sich im Gedächtnis fest und kommen dabei ganz ohne Schwurbel aus. Mal witzig, mal zärtlich, mal mit einem unvergleichlichen Swag, aber immer mit einem Blick für die verstreuten Winzigkeiten, die den Alltag bedeutsam machen.
Hundert Väter kaufen auf dem Weg ins Büro
Glühbirnen und am Automat einen Riegel,
den sie auf einen Papierstapel legen.
Hundert Kinder werfen Stöcke
nach hundert Fröschen.
Hundert Bäume biegen sich im Rückspiegel.
Hundert Frauen schieben
hundert Hände von hundert Armen.
Hundert Babysitter tätowieren sich auf Sofas
mit Nadeln und Füllertinte Namen
von Freundinnen.
Hundert Freundinnen schauen an den Himmel,
wollen eine Wolke zeichnen,
wissen aber nicht, welche.
Sie schälen hundert Doppelkekse
von hundert Unterseiten,
schauen den Schokoladenfleck erstaunt an
und er schaut erstaunt zurück.
Mein goldenes Outfit
Nachmittags lüfte ich meinen Hund.
Und trinke ich oft Tee.
Ich bin einverstanden, wenn ich beim Duschen
meine haarigen hängenden Weichteile sehe.
Wie stolz das Mädchen gegenüber
auf ihren Kugelbauch ist.
Meine Rezepte sind fertig,
sie sind ein Teil von mir,
sechssträngige Hefezöpfe
und meterlange Biskuitrolle,
ich lasse sie strömen direkt in den Ofen.
Ich ströme mich auf die Straße
und keiner kann mich sehen.
Ich schmeiße meine Haare in den Wind.
Ich helfe niemandem mit Kinder-
oder Einkaufswägen.
Ein Scheiß diese Trolleys.
Ich erinnere mich an Zeiten,
in denen ich noch ganze Teppiche
von Brennnesseln pflückte und aß.
Es war wieder diese Jahreszeit,
in der kleine weiße Blüten
durch die Luft hageln wie Körner
und mein Auge treffen
und seitdem habe ich eine leuchtende Stelle
im Augapfel, die vorher nicht da war.
In diesem Fleck spiegeln sich alle.
Der leicht hinkende Mann,
der aus seinem Kofferraum
eine Kaufland-Tragetüte zerrt
und eine Packung Cornflakes
unter seinen Arm klemmt.
Das lockige Mädchen,
das hockend den Reißverschluss
der Jacke ihres Freundes repariert,
der sich an die Autoseite schmiegt.
Die wütenden Männer,
die in dunklen Wägen gestikulieren.
Es gibt Hunde,
die tragen zarte Silberkettchen.
Meiner nicht.
Der Mann mit dem Schäferhund
und den drei gebrochenen Fingern
hat Text seitlings auf der Hose.
Es ist mühsam, jedes Bein einzeln zu lesen.
Mühsam wie jedes Blatt vom Lindenbaum
zu pflücken und einzeln einzupflanzen.
Was keinen Sinn macht.
Kormorane, die rütteln im Sitzen.
Was geht es mich an?
Am Abend nehme ich manchmal ein Bad,
um besser einschlafen zu können,
im Badewasser erzeugt mein Herzschlag
konzentrische Kreise,
ich bin wohl noch da.
☞ Weiterlesen
Hier beim hochroth Verlag könnt ihr den Band bestellen, und hier geht es zu Ricardas Website
Noch mehr Outfits? Die Designs Pre-Fall 2019 von Ricarda und Heike in Kürze. Die Outfit-Gedichte sind eine gemeinsame Gedichtreihe.